1810- Vom Halbhöfner zum Beibauer oder  Wie die “Wittes” auf den “Cohrs-Hof” kamen. Hinrich Christoph Dieterich Röhrs ist 26 Jahre alt und hat sein Erbe bereits angetreten, der große Halbhof "Cohrs" zu Schwalingen. Er kann auf eine lange Reihe von Vorfahren zurück blicken, die mit diesem alten Halbhof vom Grundherrn bemeiert waren. Der erste "Röhrs", der mit dem "Cohrs-Hof" in Schwalingen bemeiert wurde, war Jürgen Rörß. Das war schon kurz nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges, als das ehemalige Bistum Verden, in dem das Dorf Schwalingen liegt, als Provinz zum Königreich Schweden kam - im Jahre 1650. Nun, im Jahre 1810, sind die Schweden schon über 90 Jahre aus dem Land und  der Grundherr des alten Bistums Verden ist der Kurfürst von Braunschweig-Lüneburg (Kurhannover), der gleichzeitg auch König von England ist. Mit diesem liegt der Kaiser von Frankreich im Krieg, Napoleon Bonaparte. Seit schon bald sieben Jahren, seit dem Jahre 1803, halten daher französische Truppen Kurhannover besetzt und drangsalieren die hannoversche Bevölkerung mit Einquartierungen, Durchzügen, Kriegerfuhren und hohen Steuern. Für die Menschen ist die Zukunft ungewiss und die hohen Lasten der Besatzung, die zusätzlich zu den Meierabgaben aufgebracht werden müssen, treiben so manchen Hof in den Ruin. Auch für den Halbhöfner Hinrich Christoph Dieterich Röhrs ist es eine schwierige Zeit. Seit Dezember 1805 ist er mit Catharina Margarethe von Fintel verheiratet, einer Haustochter vom Schwalinger Vollhof "Böhlen". Ein Jahr später wird das erste Kind geboren, Cathrine Marie. Im November 1809 kommt der ersehnte Anerbe zur Welt, Peter Christopher. Aber es ist absehbar, dass Peter Christopher zum Leben zu schwach ist. Er stirbt im Februar 1810. Eine Schicksalsentscheidung. Vielleicht ist es diese traurige Begebenheit, vielleicht ist es auch die wirtschaftliche Lage des "Cohrs-Hofes", die Hinrich Christoph Dieterich Röhrs im Winter 1809/1810 eine Schicksalsentscheidung für die Zukunft seiner Familie abringt. Er kommt zu der Erkenntnis, dass er seinen Halbhof mit all den darauf liegenden Belastungen in dieser bedrückenden Zeit nicht mehr halten kann - und beschließt, die Hofgebäude zu verkaufen, die Meierstelle an den Grundherrn zurückzugeben. Tatsächlich findet Hinrich Christoph Dieterich Röhrs in Schwalingen einen Interessenten, der sich mit dem Halbhof "Cohrs" vom Grundherrn bemeiern lassen möchte und der auch bereit ist, ihm seine Hofgebäude abzukaufen: Der Schwalinger Häusling Hinrich Wilhelm Witte. Hinrich Wilhelm Witte ist 34 Jahre alt und nachgeborener Sohn des Neuenkirchener Köthners Peter Christoph Dieterich Witten. Seit November 1800 ist er mit Margarethe Engel Rathjen verheiratet, einer Haustochter des Hauswirtes Hans Stoffer Rahtjen zu Delmsen. Die Familie lebt für einige Jahre in Delmsen und siedelt dann um 1808/1809 als Häuslinge nach Schwalingen um. Hinrich Wilhelm Witte hatte vor wenigen Jahren "an sich selber die Entdeckung gemacht, daß er manche Kranke durch einfaches Bestreichen mit seiner Hand kurieren könne", wird von Pastor Wilhelm Wittkopf in seiner "Geschichte des Kirchspiels Neuenkirchen" überliefert, eine einträgliche Begabung. Jedenfalls wird Hinrich Wilhelm Witte der erste "Wunderdoktor" in Schwalingen. Er ist der Ahnherr der heute zahlreichen und weitverzweigten Schwalinger Familie Witte. Bei der Abtretung des Halbhofes "Cohrs" an seinen Nachfolger Hinrich Wilhelm Witte hatte sich Hinrich Christoph Dieterich Röhrs allerdings einiges vorbehalten, das ihm zur Gründung einer neuen Existenz für seine Familie dienen soll. Nämlich das auf der Hofstelle stehende Häuslingshaus und mehrere Stück Ackerland in naher und entfernterer Umgebung des "Cohrs-Hofes". Eine Zukunft als Neubauer ? Am 22.Januar 1810 erscheint daher  Hinrich Christopher Dieterich Röhrs auf dem Amt Rotenburg vor dem Justizrat Georg Heinrich Hintze und trägt sein Anliegen vor. Er möchte die Erlaubnis des Grundherrn erbitten, das auf dem "Cohrs-Hof" stehende Häuslingshaus als zukünftige Wohnung für sich und seine Familie annehmen zu dürfen und diese Stelle mit den genannten Ackerstücken als Neubauer in Schwalingen bewirtschaften zu dürfen. Er erklärt sich auch bereit, die dabei fälligen Neubauer-Abgaben regelmäßig zu entrichten. Justizrat Georg Heinrich Hintze nimmt das Gesuch von Hinrich Christopher Röhrs zu Protokoll. Er ist ein erfahrener Mann mit 81 Lebensjahren und 57 Dienstjahren als Beamter. So weiß er, dass der Wunsch von Hinrich Christopher Dieterich Röhrs, als Neubauer in Schwalingen angesetzt zu werden, nicht unbedingt das Wohlwollen der Dorfschaft finden könnte. Denn mit der Neubauer-Qualität sind auch die Rechte an der Gemeinheit und zur Mitbestimmung in der Dorfschaft verbunden. So entlässt er Hinrich Christopher Dieterich Röhrs mit dem Bescheid, dass er eine weitere Entscheidung hören werde, sobald die Dorfschaft Schwalingen ihre Erklärung zu dessen Gesuch abgegeben hätte. Die Schwalinger Reiheleute wehren sich. Schon am 2.Februar 1810 ist die Dorfschaft Schwalingen auf das Amt Rotenburg vorgeladen, um ihre Erklärung zu dem Gesuch von Hinrich Christopher Dieterich Röhrs vor dem Justizrat Hintze abzugeben. Namens der Schwalinger Dorfschaft sind Wilhelm Gevers (Vollhof "Kain") und Peter Christopher Worthmann (Halbhof "Schwieten") erschienen. Sie tragen vor, dass in der Dorfschaft Schwalingen bereits 7 Neubauern (siehe unten)  angesetzt wären. Dadurch sei die gemeine Weide schon so sehr beengt, dass das Dorf-Vieh sich dort nur noch notdürftig ernähren könne. Sie seien daher von der Dorfschaft bevollmächtigt darum zu bitten, dass ihnen nicht noch mehr Neubauern aufgedrungen werden mögen und dass also Hinrich Röhrs mit seinem Gesuch abgewiesen werden möge. Justizrat Georg Heinrich Hintze erteilt den Schwalinger Abgesandten den Bescheid, dass ohne eine weitere Untersuchung der Erträge ihrer gemeinen Weide Hinrich Christopher Dieterich Röhrs nicht als Neubauer bei ihrem Dorfe angesetzt werden soll. Damit geben sich die Schwalinger zufrieden. Beibauer ohne Gemeinheitsrechte. Gut zwei Wochen später, am 19.Februar 1810, hat Hinrich Christoph Dieterich Röhrs wieder den weiten Weg von Schwalingen nach Rotenburg gemacht. In Begleitung von Hinrich Wilhelm Witte sitzt er im Amtshaus wieder dem Justizrat Georg Heinrich Hintze gegenüber. Hinrich Christoph Dieterich Röhrs berichtet dem Justizrat, dass er bereits von den Schwalinger Mitbewohnern erfahren hätte, dass es ihnen gänzlich zuwider wäre, wenn er als Neubauer im Dorfe angesetzt werden würde. Die Schwalinger hätten aber nichts einzuwenden, wenn er mit den von ihm bei der Veräußerung des "Cohrs-Hofes" an Hinrich Wilhelm Witte reservierten Grundstücke als Beibauer bemeiert werden würde, also keine Gemeinheitsrechte erlangen würde. Justizrat Hintze nimmt zu Protokoll, dass Hinrich Christoph Dieterich Röhrs damit zufrieden ist, als Beibauer ohne Gemeinheitsrechte in Schwalingen angesetzt zu werden. Als Wohnung wird er mit seiner Familie das Häuslingshaus auf dem "Cohrs-Hof" beziehen. Anschließend wird der Bestand an Ländereien der neuen Beibauerstelle genau aufgeführt, mit denen Hinrich Röhrs bemeiert werden wird. Da ist unter anderem der Hofplatz des Häuslingshauses auf dem Halbhof "Cohrs", ein Stück Gartenland in den "Uhlands-Gärten", je 1 Stück auf dem "Heidacker", auf dem "Osterfelde", auf dem "Langen Kamp", auf dem halben "Kirchwege" und verschiedene andere, insgesamt sind es 12 Ackerstücke mit 7 Himbten Rocken Einfall und 1 Spint. Hinrich Christopher Dieterich Röhrs verspricht, dass er den Meierbrief einlösen wird, wenn er mit den Grundstücken als Herrschaftlicher Beibauer  vom Grundherrn bemeiert werden sollte und auch die fälligen Abgaben verspricht er regelmäßig zu entrichten. Er bittet auch darum, dass ihm die üblichen 8 Freijahre gewährt werden, bevor die Beibauer- Abgaben zu entrichten sind, diese also erstmalig im Jahre 1818 fällig werden. Mit Genehmigung des Grundherren. Nun braucht schlussendlich die Überlassung des Halbhofes "Cohrs" an Hinrich Wilhelm Witte und die Einrichtung der Beibauerstelle für Hinrich Christopher Dieterich Röhrs die Herrschaftliche Genehmigung. Dazu bitten beide den Justizrat Hintze, dass er ihr untertäniges Gesuch an das Hohe Cammer Collegium, die Regierung des Kurfürstentums Hannover, gelangen lassen möge. Die hannoversche kurfürstliche Regierung wird dem Gesuch von Hinrich Christoph Dieterich Röhrs und Hinrich Wilhelm Witte stattgegeben haben. Denn als Hinrich Wilhelm Wittes vierter Sohn, JOHANN Friedrich, im Mai 1811 geboren wird, ist die Stellung des Vaters nicht mehr "Häusling", sondern "Halbhöfner zu Schwalingen". Mit einer Unterbrechung von wenigen Jahren gegen Ende des 19.Jahrhunderts bleibt der Halbhof "Cohrs" zu Schwalingen seitdem in der Familie Witte, bis heute. Das Schicksal von Hinrich Christopher Dieterich Röhrs und seiner Familie ändert sich dagegen nicht zum Besseren. Auch der zweite und letzte Sohn, der im Jahre 1814 geboren wird, stirbt - mit 10 Jahren. Die überlebenden Töchter heiraten vom Hof. Mit 52 Jahren stirbt Hinrich Christopher Dieterich Röhrs im Mai 1837. Er hinterlässt keinen Anerben für seine Beibauerstelle, sie wird aufgelöst. Seine Ehefrau Catharina Margarethe, geborene von Fintel, überlebt ihren Ehemann um 30 Jahre. ------------------------------------------------------------------------------ *) die vor dem Jahre 1810 in Schwalingen angesetzten 7 Neubauern: 1) Neubauer “Schoster”, angesetzt 1772, Gründer Peter Christoph Schröder 2) Neubauer “Harm”, angesetzt 1786, Gründer Harm Reinken 3) Neubauer “Neebuur”, angesetzt 1786, Gründer Hinrich Christoph Röhrs 4) Neubauer “Sandmann”, angesetzt 1789, Gründer Claus Hinrich Bargfrede 5) Neubauer “Kröger”, angesetzt 1789, Gründer Lehrer Hinrich Christoph Hoops 6) Neubauer, heute Schwalingen No.42, angesetzt 1797, Gründer Peter Christoph von Fintel 7) Neubauer, heute Schwalingen No.27, angesetzt 1797, Gründer Jürgen Ernst siehe auch “Lage der Höfe in Schwalingen um 1840”, mehr...
Aus alten Akten  des Heidedorfes Schwalingen
Der Halbhof "Cohrs" zu Schwalingen um 1912
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